Neurologe OA Dr. Dierk Oel

Mehr Bewusstsein für MS führt zu rascherer Therapie

Rund um den Welt-MS-Tag am 30. Mai 2023 steht einmal mehr die Botschaft im Fokus, dass weltweit 2,8 Millionen Menschen mit der bis heute unheilbaren chronischen Autoimmunerkrankung leben. Das Bewusstsein für die häufigste neurologische Erkrankung des jungen Erwachsenenalters soll international geschärft werden. In Österreich leben aktuell rund 14.000 Menschen mit Multipler Sklerose.

 

„Bei Multipler Sklerose spricht man auch von der Krankheit der vielen Gesichter“, erklärt Neurologe Dierk Oel, Oberarzt der Abteilung für Neurologie am Klinikum Wels-Grieskirchen. Er ist Leiter der Multiple-Sklerose-Ambulanz. „Betroffen sein kann das gesamte Zentrale Nervensystem, sprich der Sehnerv, das Gehirn und das Rückenmark, entsprechend vielfältig sind auch die klinischen Manifestationen.“ Häufige Erstsymptome sind Entzündungen des Sehnervs, Sensibilitätsstörungen oder Augenbewegungsstörungen. Im weiteren Verlauf können Blasenstörungen, Lähmungserscheinungen sowie Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen auftreten. 

Behandlungserfolge durch Immuntherapien

Um den Körper vor schädlichen Eindringlingen und giftigen Substanzen zu schützen, verfügt der Mensch über ein ausgeklügeltes Immunsystem. Gerät es außer Balance und arbeitet es überschießend, attackiert der Körper eigenes Gewebe. Heute sind an die 100 Autoimmunerkrankungen bekannt, darunter zum Beispiel Diabetes Typ 1, Morbus Crohn oder Multiple Sklerose. „Die Therapie der Multiplen Sklerose hat in den letzten 15 Jahren einen Boom erlebt“, so Oel. „Nachdem früher eine symptomatische Behandlung im Vordergrund stand, sind inzwischen in Europa zahlreiche Immuntherapien zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen, sogenannte krankheitsmodifizierende Medikamente. Je nach Medikament zeigen ca. 30 bis 50 Prozent der Patienten in Behandlung über mehrere Jahre überhaupt keine Krankheitsaktivität mehr. Bisher gibt es aber nur wenige Langzeitdaten, sodass hier noch nicht von einer Heilung gesprochen werden kann.“ Voraussetzung ist ein Therapiebeginn in einem frühen Krankheitsstadium. „Solange es dem Patienten noch gut geht“, betont Oel. „Sobald eine relevante Behinderung vorliegt, ist die Wirksamkeit auf den weiteren Krankheitsverlauf geringer.“ Auch die Untergruppe der progredienten MS stellt weiterhin ein Problem dar. „Im Vergleich zur schubförmigen Erkrankung sprechen diese Patienten deutlich schlechter auf eine Immuntherapie an.“

Neurologe OA Dr. Dierk Oel
OA Dr. Dierk Oel in der MS-Diagnostik

 

Starkes Immunsystem gegen MS?

Studien zeigen, dass die Grundlage der Erkrankung bereits während der Reifung des Immunsystems in der Kindheit gelegt wird. Die Möglichkeiten einer Reduktion des Erkrankungsrisikos durch eine „Stärkung des Immunsystems“ im späteren Lebensalter sind nach heutigem Erkenntnisstand begrenzt. „Gesichert ist jedoch, dass sich eine Nikotinkarenz auch bei bereits bestehender Erkrankung positiv auswirkt“, erklärt der Neurologe. „Als günstig gilt eine ausgewogene Ernährung, die sogenannte Mittelmeerdiät mit regelmäßigem Fischkonsum, reduzierter Zufuhr tierischer Fette und hohem Anteil an Frischobst und Gemüse.“ Ob sich eine Vitamin-D-Einnahme positiv auswirkt, ist nicht eindeutig erwiesen. „Normale oder hochnormale Vitamin-D-Spiegel können empfohlen werden. Interessante neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich eine Sonnenexposition auch unabhängig vom Vitamin-D-Stoffwechsel positiv auswirken kann“, so Oel. 

Schnellerer Weg zur Therapie

„In der Bevölkerung und in der Ärzteschaft gibt es heute ein erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung, auch die Verfügbarkeit der MRT-Diagnostik hat sich verbessert“, erklärt der Spezialist für Multiple Sklerose. „Somit sind jahrelange Ärzteodysseen der betroffenen Patienten erfreulicherweise mittlerweile selten geworden. Die Abklärung bei Verdacht erfolgt – je nachdem, wie akut die Symptome sind – beim niedergelassenen Facharzt für Neurologie oder in einer neurologischen Klinik.“ Eine verlaufsmodifizierende Therapie darf in Österreich nur durch ein zertifiziertes MS-Zentrum wie dem Klinikum Wels-Grieskirchen erfolgen.

 

Stand: Mai 2023