Essstörung

Spezialisierte Behandlung für die Binge-Eating-Störung

Im Spannungsfeld zwischen Genuss als Lifestyle-Priorität und extremem Körperbewusstsein, zwischen starkem Übergewicht und dem Look der Magermodels – vor allem bei jungen Frauen machen sich immer mehr Essstörungen bemerkbar. Neben der Magersucht stellt vor allem Binge-Eating-Disorder ein komplexes Krankheitsbild dar. Bis zu fünf Prozent der Allgemeinbevölkerung sind betroffen.

 

„Bei Binge Eating handelt es sich um eine psychisch bedingte Essstörung, bei der Betroffene unverhältnismäßig große Nahrungsmengen in kurzer Zeit zu sich nehmen – obwohl sie gar kein oder nicht ein derart starkes Hungergefühl verspüren“, erklärt Daniela Feichtenschlager, Psychotherapeutin am Klinikum Wels-Grieskirchen. „Betroffene verfügen über eine geringe Konfliktfähigkeit, sie haben einen hohen Perfektionsanspruch, nehmen ihr eigenes Körperbild aber verzerrt wahr. Gefühle können nicht gut differenziert werden. Deshalb nehmen sie auch kein Sättigungsgefühl wahr.“

Um Stimmungen oder Spannungen zu regulieren, beginnen die Patienten zu essen. „Einerseits ist dies ein Versuch, wieder Kontrolle über sich selbst zu erlangen. Aber durch den neuerlichen Verlust der Kontrolle während der Heißhungerattacke, erwachsen wiederum negative Gefühle. Ein Teufelskreis entsteht.“ Was gegessen wird, ist dabei egal. Betroffene essen alles. Sie können für ihre Emotionen keinen Ausdruck finden, die Nahrungsaufnahme wird zur Regulation zweckentfremdet. „Der wiederholte Kontrollverlust wirkt sich dabei am negativsten aus“, beschreibt Feichtenschlager den Leidensdruck ihrer Patienten. „Die Binge-Eating-Störung kann mit einer Art Suchtverhalten verglichen werden – was die Therapie umso schwieriger gestaltet, da Nahrung ja nicht wie etwa Alkohol oder Nikotin aus dem Tagesablauf gestrichen werden kann.“

Ein Weg zurück in die Normalität

Bemerkbar macht sich die Störung meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, nicht nur Frauen, auch Männer sind davon betroffen. Verursacher sind, laut Feichtenschlager, einerseits genetische Faktoren, aber auch familiäre Konflikte, traumatische Erfahrungen und Störungen in der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung. „Die Krankheit baut sich langsam auf, es ist ein schleichender Prozess, deshalb muss sie umfassend behandelt werden.“ Im Vordergrund stehen dabei die Normalisierung des Essverhaltens und die Behandlung der zugrundeliegenden psychischen Defizite.

Daniela Feichtenschlager, MSc

„Das Ziel der Therapie ist nicht vordergründig eine Gewichtnormalisierung, sondern das Wiedererlangen eines kontrollierten Essverhaltens.“

Daniela Feichtenschlager, MSc, Psychotherapeutin

Erster Ansprechpartner für Erwachsene ist oftmals der Hausarzt, der die entsprechenden Überweisungen vornimmt. Die Behandlung erfolgt meist in Form einer stationären Psychotherapie.

„Diese verläuft bei uns über eine Dauer bis zu zehn Wochen alternierend mit jeweils zwei stationären Wochen und zwei Wochen zu Hause. Die Zeit daheim soll dazu dienen, dass die neuen Erkenntnisse im Alltag erprobt werden.“ Das Department für Psychosomatik für Erwachsene am Klinikum-Standort Grieskirchen verfügt über sechs stationäre und einen tagesklinischen Platz. „Unser Therapieangebot ist multimodal und wird sowohl in Einzel- als auch in Gruppensitzungen angeboten. Es reicht von Psychoedukation über Spannungs- und Gefühlregulation sowie Körperwahrnehmung bis hin zum Erkennen und Differenzieren von Emotionen. Nicht fehlen dürfen natürlich das Angebot der Diätologie sowie Bewegung und Entspannung.“

Und danach …

Auch eine Nachsorgegruppe wird auf freiwilliger Basis angeboten. Ca. ein Drittel der Patienten kommt regelmäßig wieder. „Es ist wichtig, dass man weitermacht, denn es handelt sich um einen langwierigen Prozess, der viel Motivationsarbeit benötigt.“ Das Angebot der Psychotherapie für Erwachsene am Klinikum Wels-Grieskirchen zeichnet sich aber nicht nur durch sein multimodales Programm, sondern besonders durch die kleine Größe der Therapiegruppen aus: „Adipöse Menschen haben es nicht leicht in der Gesellschaft. Am Klinikum-Standort Grieskirchen kann ihre Intimsphäre gut gewahrt werden.“ Und: Selbst wenn die Kilos nicht gleich purzeln, werden die Patienten im Laufe der Therapie stabiler, gestärkter und können mit Spannungen besser umgehen – was sich in einer stärkeren Kontrolle über das eigene Essverhalten ausdrückt.